„Kinderlärm ist Zukunftsmusik“
Referent: Dr. Jürgen Borchert, Darmstadt
Familienpolitik werde in Deutschland immer noch nicht als Grundlage der Wirtschaftspolitik begriffen. Auch gegenwärtig zeichne sich in der Familienpolitik keine Wende ab, man diskutiere weiter nur über Gardinenfarben, statt die Fundamente zu sichern - Geharnischte Kritik an der Familienpolitik der letzten Jahrzehnte wird der Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert in seinem Vortrag am kommenden Mittwoch üben. In zahlreichen Publikationen weist er u.a. auf folgende Fehlentwicklungen hin, mit denen er sich auseinandersetzen wird:
Das staatliche und gesellschaftliche System sei blind für Kinderinteressen und habe seine Zukunftsfähigkeit selbst untergraben. Trotz der Halbierung der Geburtenzahlen und einem gleichzeitigen Anstieg der Müttererwerbstätigkeit um über 50 Prozent habe sich der Anteil der Kinder in der Sozialhilfe seit 1965 auf das 16fache erhöht- mit verheerenden Konsequenzen für die Bildungsfähigkeit des Nachwuchses.
Statt der mit der „greencard“ erhofften Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte wanderten Jahr für Jahr rund 100 000 Höchstqualifizierte aus, darunter jeder dritte Jungmediziner. Für den HighTech-Standort Deutschland sei dies fatal. Familienpolitik werde in Deutschland immer noch nicht als Grundlage der Wirtschaftspolitik begriffen. Auch gegenwärtig zeichne sich in der Familienpolitik keine Wende ab, man diskutiere weiter nur über Gardinenfarben, statt die Fundamente zu sichern. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so Borchert, sei überhaupt nicht das zentrale Problem, da die Erwerbstätigkeit deutscher Elternpaare mit durchschnittlich 70 Wochenstunden ohnehin weit höher sei als die der Schweden oder Franzosen. Der Schlüssel für eine sachgerechte Familienpolitik liege stattdessen in der Lösung des Rätsels der doppelten Kinderarmut und der Behebung seiner Ursachen.
Die Verarmung von Familien ist vor allem auf kommunaler Ebene spürbar – als Kaufkraftrückgang ebenso wie in der Auswirkung auf den kommunalen Haushalt.